Mit sieben in eine neue Familie - Ein Pflegekind erzählt
Shownotes
In dieser Folge sprechen wir über Pflegekinder, die nicht im Kleinkindalter, sondern erst als Schulkind in eine Pflegefamilie kommen – und darüber, wie auch dann noch starke Bindungen entstehen können.
Pflegekind Justin erzählt selbst, wie es war, mit sieben Jahren in seine heutige Familie zu ziehen. Was ihm beim Ankommen geholfen hat, wie seine Pflegeeltern ihn unterstützt haben – und warum sich Familie für ihn heute ganz selbstverständlich anfühlt.
Im zweiten Teil des Gesprächs sprechen wir mit seinen Pflegeeltern Angie und Jörg darüber, wie sie Justin in die Familie aufgenommen haben, was ihnen dabei wichtig war – und warum sie überzeugt sind, dass auch ältere Kinder in Pflegefamilien ein liebevolles Zuhause finden können.
🎧 Jetzt reinhören und mehr über Justins Weg in die Familie erfahren.
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Transkript anzeigen
00:00:00: Das ist in Deiner Erinnerung so ein Moment, der dir besonders viel bedeutet, dass du diesen Moment nie vergessen wirst?
00:00:09: Wir waren letztes Jahr auf Mallorca und da waren wir im Meer schwimmen.
00:00:16: Und dann habe ich zu Papa gesagt, ich hätte nie gesagt, dass ich mal an so einem schönen Ort mit euch schwimmen gehen darf.
00:00:23: Also das hätte ich nie vergessen, weil ich weiß genau, wenn ich nicht in so eine Pflegefamilie kommen wäre oder wenn ich nicht in diese Pflegefamilie gekommen wäre,
00:00:33: dann wäre das nie passiert und da habe ich auch mich gefühlt, als wenn das halt meine Familie ist.
00:00:39: Wenn wir ihn mal erklärt haben, wenn du abends um 18 Uhr zum Beispiel nicht bündig mit deinem Freund wieder zu Hause bist,
00:00:46: dann fahre ich los und suche dich oder ich gucke, wo du bist, dass er gemerkt hat, da macht sich tatsächlich jemand Sorgen darum, wo ich bin und was ich mache.
00:00:56: Und ich glaube, das war für ihn ganz wichtig. Das hat er vorher noch nie so erlebt.
00:01:01: Also ich würde mir wünschen, dass mehr Eltern, älteren Kindern auch eine Chance geben.
00:01:05: Viele haben ja Vorurteile, dass sie schon irgendwie so viele schlechte Erfahrungen gesammelt haben
00:01:10: oder dass man da erziehungstechnisch nichts mehr machen kann.
00:01:14: Viele Vorurteile, glaube ich, ihr sind da so in der Luft und die meisten würde ich sagen, nein, das stimmt nicht.
00:01:20: Netzwerkpflegefamilien, der Podcast.
00:01:27: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Netzwerkpflegefamilien, der Podcast.
00:01:34: Heute geht es, wie schon in unserer letzten Folge, wiederum das wichtige Thema Pflegekinder, die erst im Schulalter in ihre Pflegefamilien kommen.
00:01:42: In der vergangenen Folge haben wir mit der Pflegemulter Anna und ihrer Familienberaterin Rike darüber gesprochen,
00:01:48: wie ältere Kinder in Familien ankommen können und welche Chancen diese Konstellation bietet.
00:01:53: Diesmal hören wir zusätzlich eine ganz besondere Perspektive, die eines Pflegekindes selbst.
00:01:59: Justin ist mit sieben Jahren zu seiner Pflegefamilie gekommen.
00:02:03: Im ersten Teil der Folge erzählt er, wie er den Staat in seiner neuen Familie erlebt hat, was sich für ihn verändert hat
00:02:09: und was seine Pflegeeltern ihm heute bedeuten.
00:02:12: Im zweiten Teil sprechen wir mit Angie und Jörg, seinen Pflegeeltern, die berichten, wie der gemeinsame Weg begann
00:02:19: und wie sich über die Jahre eine starke Bindung entwickelt hat.
00:02:22: Aber zuerst viel Spaß mit Justin's Geschichte.
00:02:26: Justin, schön, dass ich heute bei dir und bei euch sein kann
00:02:31: und du mir etwas über dein Leben in deiner Familie erzählst.
00:02:37: Aber bevor wir damit anfangen, magst du dich erstmal selber vorstellen
00:02:40: und etwas über dich erzählen, wer du bist?
00:02:43: Ja, hallo, ich bin Justin, ich bin 16 Jahre alt,
00:02:47: wohne jetzt seit neun Jahren in einer Pflegefamilie.
00:02:51: Hast du irgendwelche besonderen Hobbys, was interessiert dich?
00:02:56: Ähm, ich finde momentan Autos ziemlich cool und ich fahre gerne Mountainbike.
00:03:02: Du musst gerade deinen Führerschein anfangen zu machen, glaube ich, habe ich gehört.
00:03:07: Ja, ich bin gerade dabei, meinen Führerschein zu machen.
00:03:10: Und es spannend?
00:03:12: Ja, geht so, also ich mache nicht so die App, die man eigentlich dafür machen sollte.
00:03:19: Bist du noch komplett in der Theorie da auch schon?
00:03:22: Noch komplett in der Theorie.
00:03:24: Und freust dich aber, wenn es dann irgendwann auch in den praktischen Teil geht.
00:03:27: Ja.
00:03:28: Cool. Ja, heute soll es ja um dich und deine Familie gehen.
00:03:31: Unter diesem Thema ältere Pflegekinder, also wenn ältere Pflegekinder in eine Pflegefamilie kommen,
00:03:38: ist dieses Thema, dass du in einer Pflegefamilie lebst,
00:03:42: wie häufig ist dir das eigentlich begegnet, oder dass du Menschen erklären musstest,
00:03:48: dass du in einer Pflegefamilie lebst?
00:03:51: Zum Beispiel, wenn ich mal neue Leute kennenlernen und die mich fragen, zum Beispiel, wie viele Geschwister hast du,
00:03:59: dann sage ich meistens ja, ich habe zwei Pflegeschwistern und drei leibliche Brüder und dann frage ich mich, wie Pflegeschwistern,
00:04:07: dann muss ich halt so, dann muss ich nicht, dann sage ich halt, ich wohne in einer Pflegefamilie und ja.
00:04:13: Und ist das dann für alle irgendwie direkt verständlich, was das heißt, Pflegefamilie?
00:04:19: Manche fragen dann, ob ich dann adoptiert bin und dann sage ich, das ist so, du wohnst halt nicht in einer leiblichen Familie,
00:04:27: sondern halt in einer anderen Familie, aber halt mich adoptiert.
00:04:32: Das ist dann für die meisten dann okay oder gibt es dann auch viele Nachfragen?
00:04:37: Manchmal sagen dann, die verstehen das nicht so richtig und das war es dann aber eigentlich.
00:04:43: Und viele Sachen muss man ja auch nicht direkt verstehen und dann ergibt sich das vielleicht nach und nach.
00:04:49: Und du wohnst jetzt seit wieviel Jahren hier in der Pflegefamilie, seit zehn Jahren dann?
00:04:55: Seit neun.
00:04:56: Seit neun Jahren, schon eine lange Zeit.
00:04:59: Du bist ja nicht direkt zu deinen Pflegeeltern hierhin gekommen, sondern du warst vorher noch in einer Bereitschaftspflegefamilie.
00:05:07: Kannst du dich noch an diese Zeit erinnern, wie das war? Du warst ja, glaube ich, auch da recht lange Zeit, ne?
00:05:14: Also ich war zwei Jahre in der Kurzheilpflegefamilie.
00:05:18: Das waren noch zwei ältere Personen und die haben mich halt eigentlich immer laufen lassen.
00:05:26: Also die haben sich nicht wirklich um mich gekümmert so richtig, sondern die haben einfach gesagt,
00:05:33: "Ja, mach, hab dein Spaß." Ja, das ist so das, was ich noch weiß.
00:05:40: Und das war dann von vier bis sechs ungefähr dann die Zeit so in etwa, ne?
00:05:48: Kannst dich noch an andere Sachen erinnern, wie das vieles war und vor allem wusstest du,
00:05:54: dass du hier dann nur eine gewisse Zeit bleiben wirst?
00:05:57: Also ich weiß noch, dass die auch zwei ältere Nachbarn hatten und dass ich auch viel Zeit bei denen verbracht habe.
00:06:07: Und das wird so zum Schluss, also so nach 1,5 Jahren bin ich auch öfters bei denen gewesen und dann haben die mir auch zu Weihnachten bei Sachen geschenkt.
00:06:18: Oder was ich noch weiß, ist, ich habe mir Fußballschuhe gewünscht und dann haben die mir Fußballschuhe gekauft.
00:06:24: Und dass das nicht dein, dieser Ort sein wird, wo du jetzt wirklich groß wirst, war das bewusst?
00:06:35: Du warst ein kleines Kind, aber dachtest du, komm ich irgendwann noch mal in eine andere Familie?
00:06:43: Oder war das zu der Zeit für dich deine Familie? Wie würdest du das heute beschreiben?
00:06:48: Also jetzt ich da, also ich weiß noch, wie ich abgeholt wurde und dann dahin gefahren bin.
00:06:55: Und da habe ich das nicht so richtig verstanden und da war ich ja so verwirrt, weil mir das nicht so richtig erklärt wurde.
00:07:04: Aber ich habe mir halt keine Gedanken darüber gemacht, so richtig.
00:07:08: Und deswegen war das für mich auch nicht so richtig klar, sag ich mal, ob ich da halt für immer bleibe oder ob noch irgendwas anderes kommt.
00:07:18: Hm, das ist schon ein Gefühl von irgendwie von der Unsicherheit.
00:07:23: Ja, dann kam irgendwann Angie und Jörg dazu.
00:07:29: Wann hast du das erste Mal eigentlich von, hast du die das erste Mal gesehen oder davon gehört, wie war das für dich?
00:07:37: Kannst du dich daran erinnern unter diesen ersten Kontakt, wie auch immer der war?
00:07:42: Also ich weiß noch, dass wir auch vom Spielplatz waren, der war ziemlich in der Nähe von den Kursatfliegeltern.
00:07:53: Und ich habe dann halt Angie und Jörg gezeigt, was ich da immer so auf dem Spielplatz gemacht habe und bin dann da auch über dieses Kletterhaus und so drüber geklettert.
00:08:06: Hast du erst gedacht, dass es einfach Bekannte sind von den Kursatpflegeeltern?
00:08:15: Das weiß ich nicht so ganz genau, also ich weiß halt nur noch, dass wir irgendwann uns da getroffen haben und dann wurde das auch regelmäßiger und dann haben wir uns auch irgendwann mal in anderen Orten getroffen.
00:08:34: Und dann hast du irgendwann gemerkt, dass das Menschen sein könnten, bei denen du dauerhaft leben kannst oder gab es irgendwann, irgendwann muss es ja diesen Punkt gegeben haben, dass du dachtest, also es ist jetzt hier mehr, als dass das irgendwelche Freunde von meinen Badgersfliegeltern sind.
00:08:56: Also der Punkt, wo ich, glaube ich, gefühlt habe, dass ich da halt leben möchte oder dass das mehr ist als nur irgendwelche Leute war, da waren wir im Urlaub in Holland auf dem Campingplatz und dann sind Angie und Jörg da auch hingefahren mit meinen zwei Fliegeschwistern und dann habe ich halt anstatt bei meinen Kursatpflegeeltern bei denen geschlafen.
00:09:25: Und habe dann am letzten Tag, wo halt, wo die halt die Sachen gepackt haben, mich ins Auto gesetzt und gesagt, jetzt fahre ich bei euch mit, jetzt wohne ich bei euch und dann bin ich auch mitgefahren und dann einen Tag eher eingezogen, als es eigentlich geplant war.
00:09:43: Was war das für dich für ein Gefühl, dass du jetzt woanders wohnen wirst, als Sebenjährige, ist das einfach eine Freude gewesen oder was ging durch dein Kopf?
00:09:58: Also ich war ziemlich aufgerät und auch so ein bisschen nachdenklich, weil ich mich einfach zu entschieden habe und habe auch ein bisschen darüber nachgedacht, was danach passiert, ob meine kurze Fliegeeltern einfach weg sind, sag ich mal, oder ob dann auch irgendwas anderes kommt.
00:10:25: Du hast gerade gesagt, du hast dich dazu entschieden für einen tollen Begriff, weil deine Fliegeeltern haben sich aktiv entschieden und du hast dich aktiv entschieden.
00:10:36: Welche anderen Momente gab es oder kann ich auch mitreden und mich dafür entscheiden aktiv, dass ich hier leben möchte?
00:10:47: Weiß es nicht so genau, mir fällt nichts ein.
00:10:50: Aber du fühlst es dich auf jeden Fall nicht so, dass jemand anderes über dich bestimmt, sondern dass du hier auch mitreden kannst.
00:10:58: Ja, dass ich auch entscheiden kann, was ich machen möchte.
00:11:03: Jetzt sind wir so ein bisschen gesprungen. Nämlich hattet, nämlich gerade auf einem Zettel stehen, irgendwann hast du deine zukünftigen Fliegeschwörstern kennengelernt und da wart ihr schon, da kattet ihr euch ja ja schon, aber wie war denn das erste Zusammentreffen eigentlich mit deinen Fliegeschwörstern?
00:11:21: Eine sitzt jetzt gerade neben dir, also sagt nichts Falsches.
00:11:26: Also, wir haben uns in Zoo getroffen, das weiß ich noch.
00:11:33: Und in der Kurzzeitfliegefamilie hat auch ein Mädchen gewohnt, Dieter aber fest wohnt und die ist mit in Zoo, das weiß ich noch.
00:11:46: Und Gino und Michaela waren auch im Zoo und da habe ich die jetzt auch kennengelernt.
00:11:52: Und ich weiß es nicht mehr so ganz genau, aber ich glaube, ich war ziemlich schüchtern erst am Anfang und bin dann so aufgetaut im Laufe des Tages.
00:12:08: Dann hast du dann, das könnten dann auch meine Schwestern werden, ist ja irgendwie verrückt, dass man dann so mit einem Schlag zwei neue Eltern bekommt und dann auch zwei Fliegeschwörstern.
00:12:22: Ganz schön viel, erst mal würde ich sagen.
00:12:26: Das war für dich aber schon schön, du wolltest du dann auch Geschwister haben, aber das für dich ist, wo du denkst, wow cool, zwei neue Fliegeschwörstern, zwei Schwestern.
00:12:36: Wahrscheinlich einfach, so würde es ja niemals Fliegeschwörstern wahrscheinlich so nennen für dich.
00:12:41: Also ich weiß noch, dass ich mal gefragt wurde, was ich mir vorstelle.
00:12:45: Und dann habe ich gesagt, ich hätte gerne Eltern, die für immer zusammen sind, die sich niedreien.
00:12:52: Und ich hätte gerne einen großen Bruder.
00:12:56: Dann wird mir erzählt, dass ich jetzt zwei Fliegeschwörstern habe und dann habe ich gesagt, ja ist auch okay.
00:13:09: Schön und dann hattet ihr diesen Urlaub, der viel mehr war als ein Urlaub, sondern wirklich so der finale Punkt der Anbahnung und dann bist du dann tatsächlich dann mitgekommen.
00:13:21: So ungefähr, du hast dann hier gestanden, wie war so das Ankommen hier?
00:13:26: Ihr hattet mal glaube ich erzählt, oder was?
00:13:29: Du glaube ich, du hast erzählt, dass bei dem Video, was wir vor vielen Jahren aufgenommen haben, dass ihr so einer Willkommensfeier, glaube ich, macht, oder so?
00:13:38: Ja, also ich weiß noch, wir waren ziemlich spät abends zu Hause und das war schon alles halt dekoriert hier im Wohnzimmer und auch mit Geschenken.
00:13:49: Und das fand ich ziemlich überraschend, weil ich da fand die Xurste.
00:13:54: Und dann haben wir ziemlich spät abends noch hier im Wohnzimmer gesessen und ich habe halt meine Geschenke ausgepackt.
00:14:01: Ich weiß noch, dass ich von Gina, also von meiner Elternfliegeschwöße, ein selbstgenähtes Kuscheltier gekriegt habe und ich habe noch einen elektrischen Kran gekriegt.
00:14:18: Und dann war ich ziemlich perrascht rüber.
00:14:22: Wie war so die erste Zeit dann, die erste Nacht, die Tage danach?
00:14:30: Also ganz genau erinnert mich nicht daran, aber ich denke, war ich zwar ziemlich aufgeregt, aber habe mich dann auch schnell wahrscheinlich sortiert und habe dann mal so meine Grenzen ausprobiert.
00:14:45: Was heißt das?
00:14:47: Also ich habe schnell gemerkt, dass ich hier nicht einfach das machen kann, was ich möchte, dass dann auch Konsequenzen folgen.
00:14:58: Und wenn ich was gemacht habe, was nicht richtig war, wurde mir das gesagt und habe dafür auch Ärger bekommen, wenn es schlimmer war.
00:15:10: Wie war das für dich?
00:15:13: Es war ziemlich ungewohnt, weil es bei meinen Kurzzeitfliegern nicht dabei war und da musste ich mich dann auch erst mal dran gewöhnen.
00:15:23: Und fannst du das irgendwie auch gut, so einen Rahmen zu bekommen?
00:15:28: Also es war erst ungewohnt und dann auch, jetzt würde ich sagen, es war gut.
00:15:37: Nicht immer?
00:15:39: Da war es nicht immer.
00:15:41: Jetzt würde ich sagen, es war gut, weil man dadurch auch lernt, richtig auch mit anderen Leuten umzugehen und zu wissen, was richtig und was falsch ist.
00:15:54: Und du warst sieben, warst du schon in der Schule zu der Zeit eigentlich?
00:15:59: Ja, ich weiß noch, dass ich hier in Borkost in die Regenschule eingeschult wurde, in die zweite Klasse.
00:16:11: Und dass ich dann aber die zweite Klasse nochmal wiederholen musste, weil ich nie so richtig in der Schule klargekommen war, weil ich noch ziemlich aufgeregt war mit dem Umzug und so.
00:16:26: Ja, das heißt du hast so neben dem Lebensortswechsel und dass du zu zwei neue Eltern hast, dass du zwei Pflegespürste haben bekommen, was auch noch die Schule gewechselt.
00:16:36: Dass du dann da eine Zeit lang ziemlich aufgeregt bist, kann ich sehr gut verstehen.
00:16:41: Was hat dir denn hier so geholfen in der Anfangszeit, dass du vielleicht etwas nicht mehr so aufgeregt bist, dass du dich hier ankommen,
00:16:54: dass du hier auch bisschen Vertrauen gewinnen kannst in das Haus, in die Familie?
00:17:00: Ja, am Anfang ziemlich viel, also ich habe ziemlich viel was mit meinen Pflegeeltern unternommen.
00:17:08: Auch hier zu Hause haben wir viel gemacht, wir haben damals viel gepuzzelt, auch wenn ich das nicht so mochte.
00:17:17: Wir haben zusammen Bücher gelesen und auch abends zusammen Fernseher geguckt.
00:17:22: Dass diese gemeinsamen Momente wenig spektakulär ist, würde ich es jetzt einfach mal nennen,
00:17:29: aber viele gemeinsame Zeiten, wo man zusammen etwas macht, zusammen reden kann, die haben geholfen für dich.
00:17:37: Ja, jetzt hast du eben gesagt, dass du einige Sachen ausgetestet hast, wie läuft denn das hier so ab?
00:17:45: Gab es für dich denn so Moment in deiner Erinnerung, wo du gemerkt hast, hier darf ich bleiben
00:17:52: und hier, auch wenn ich den größten Quatsch vielleicht gebaut habe in meinem Leben,
00:17:57: dennoch darf ich hier auf jeden Fall sein und meine Eltern, meine Pflegeeltern bleiben bei mir?
00:18:04: Also es gab ein paar Sachen, die weiß ich noch, da habe ich zum Beispiel hier in der Scheune
00:18:10: mit Silikonspray ein großes Herz an die Wand gesprüht
00:18:15: und das sieht man immer noch, weil es nicht mehr von der Wand geht.
00:18:20: Oder ich habe mal, wir hatten damals ein Bienenbaum, den gibt es aber nicht mehr,
00:18:26: da habe ich dann immer mehr als eine Birne genommen
00:18:31: und von der Garage die Scheibe eingeworfen, habe dafür ziemlich viel Ärger gekriegt,
00:18:38: aber ich durfte hier bleiben.
00:18:41: Ja, und haben die das auch häufig mit dir besprochen?
00:18:47: Also das war jetzt echt keine gute Idee mit der Birne, aber hey, du bist hier sicher,
00:18:54: du bist unser Kind, also war das Thema bei euch, dass man das auch danach bespricht?
00:18:59: Also es ist halt ziemlich schnell aufgeflogen, dass ich das war und dann musste ich mich immer mit den beiden aufs Sofa setzen
00:19:11: und dann wurde gesagt, du lebst jetzt hier so lange sitzen, bis du dich beruhigt hast
00:19:16: und dann sprechen wir miteinander und gucken dann, wie es weiter geht.
00:19:23: Was hat dir auch Sicherheit gegeben dann?
00:19:29: Wann hast du denn das erste Mal Mama oder Papa zu den beiden gesagt, weißt du das eigentlich?
00:19:38: Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich denke, ich habe es von Anfang an gesagt.
00:19:44: Also seit ich hier wohne, sage ich glaube ich Mama, Papa.
00:19:48: Und weil das einfach, weil der Wunsch so groß war, diese beiden Eltern zu haben,
00:19:56: oder kannst du das irgendwie?
00:19:58: Man damals war es wahrscheinlich eine relativ unbewusste Entsteilung,
00:20:02: aber wenn du heute so drüber nachdenkst, warum hast du gedacht, ja ich nenne die direkt so?
00:20:09: Also ich habe mir das eigentlich bei meiner Schwester abgeguckt, weil die auch Mama und Papa gesagt hat
00:20:15: und fand das dann immer ziemlich verwirrend, dass Michaela Mama und Papa sagt
00:20:20: und Gina Angie und Jörg und hat mich aber dann auch dafür entschieden Mama und Papa zu sagen.
00:20:28: Aber so einen richtigen Grund habe ich dafür nicht.
00:20:31: Aber es war doch eine bewusste Entscheidung, was in beiden Sachen gehört
00:20:36: und für dich entschieden, was sich erstmal für dich besser anfühlt.
00:20:41: Ich denke ich zumindest würde ich jetzt mal daraus deuten.
00:20:47: Wenn du an deinen normalen Familienalltag denkst, jetzt gar nicht in der ersten Saison,
00:20:52: sondern einfach so in den letzten Jahren, was ist dir so im Alltag besonders im Familienalltag wichtig?
00:20:59: Gibt es so Rituale oder Dinge, die euch so als Familie verbinden, die euch ausmachen und die, die auch wichtig sind?
00:21:08: Also ich finde es toll, dass wir manchmal einfach abend draußen zum Beispiel auf der Terrasse sitzen
00:21:16: und dann zusammen reden.
00:21:18: Oder wir haben im Weihnachten Rituale, da gucken wir mal der kleine Lord.
00:21:25: Oder Liebe braucht keine Ferien.
00:21:28: Das gucken wir mal zusammen.
00:21:31: Das weiß ich und ich habe früher auch ganz lange, das ist jetzt so ungefähr im Jahr, mache ich das nicht mehr,
00:21:41: habe ich jeden Abend gute Nacht gesagt, auch so ein ganzes Gedicht aufgesagt.
00:21:48: Und dann bin ich auch erst schlafen gegangen und ich konnte auch, also ich bin auch erst schlafen gegangen,
00:21:56: wenn ich gute Nacht, also ich habe dieses Gedicht aufgesagt und bin dann zu Treppe gegangen
00:22:05: und habe dann nochmal gute Nacht gesagt und wenn dann vom Mama und Papa nochmal gute Nacht zurückkam,
00:22:09: dann bin ich erst ins Bett gegangen.
00:22:11: Das brauchst du auch dieses Rituale und auch dann die Antwort darauf.
00:22:17: Wie lange hast du das gemacht?
00:22:18: Acht Jahre.
00:22:19: Acht Jahre.
00:22:20: Und dann immer das gleiche Gedicht.
00:22:22: Immer das gleiche.
00:22:23: Auch.
00:22:24: Cool.
00:22:25: Das ist durch alte Vermögen.
00:22:27: Super.
00:22:30: Ihr habt immer Hunde gehabt.
00:22:32: Jetzt habt ihr einen neuen Hund.
00:22:34: Welche Rolle spielt spielen die Hunde in deinem Leben?
00:22:40: Also bei den Hunden, wenn ich mal nach Hause komme oder so und ich einen anstrengten Tag habe,
00:22:47: dann freue ich mich nach Hause zu kommen, weil dann der Hund immer zu dir rennt und ich begrüße
00:22:53: und dann mit dir kuschelt oder einfach, wenn man mal abends zu Hause ist, hat und seine Ruhe hat
00:23:01: und dann kann man mit dem Hund kuscheln oder wenn man traurig ist und seine Ruhe braucht,
00:23:08: kann man auch mit dem Hund kuscheln, weil man kann halt einfach mit dem Hund reden
00:23:14: und sich dann einfach bei dem Hund einmal auskürzen, sag ich.
00:23:19: Und dann, das fühlt sich dann nochmal gut an.
00:23:22: Das glaube ich, das glaube ich gerne.
00:23:24: Ich glaube, wenn es insbesondere bei Gina, die hat das damals in dem Video erzählt,
00:23:29: wie der Hund sich quasi auch wirklich hier mit, also der Teil der Eingewöhnung war
00:23:35: und der, glaube ich, auch immer regelmäßig mit ans Bett gekommen ist, irgendwie so war die Geschichte.
00:23:40: Also Hunde haben echt eine wichtige Rolle bei euch gespielt.
00:23:43: Jetzt habe ich nach einer Frage, wo ich denke, guck mal, wie du sie beantwortest.
00:23:51: Du wirst ein Handy haben.
00:23:53: Und da sind wahrscheinlich auch viele Fotos irgendwie von euch drauf.
00:23:57: Soals Familienfotos, Erinnerungen und so weiter.
00:24:02: Wenn du, gibt es Momente, wo du in Fotos rumstöberst und dir Familienfotos anguckst
00:24:10: und wenn ja, gibt es so spezielle Fotos, die man sich immer wieder anguckt,
00:24:16: weil das besonders schöne Momente war?
00:24:19: Also ich habe alte Fotos von uns, einen alten Hund, wo ich hier eingezogen bin
00:24:26: und die gucke ich mir auch öfter an, weil das war ein toller Hund.
00:24:34: Der hat sich immer zu dir gelegt, wenn du irgendwie traurig warst oder so.
00:24:43: Da haben wir noch alte Bilder, da war ich noch ziemlich jung.
00:24:48: Da habe ich mir in der Schule einfach mit der Schere immer du Thier geschnitten
00:24:53: und am nächsten Tag hatte meine Schwester in der Kommunion
00:24:57: und auf dem Bild habe ich so schiefer Haare, das finde ich ziemlich lustig.
00:25:03: Und wir haben in Treppenhaus, da haben wir ganz viele Bilderrahmen hängen,
00:25:08: von ganz vielen verschiedenen Urlauben.
00:25:11: Die Bilder gucke ich mir auch jeden Tag an, wenn ich hoch gehe
00:25:15: und dann so zurückdenke, wie das so war damals.
00:25:22: Jetzt sind die beiden hier, es ist vielleicht schwierig zu beantworten,
00:25:30: es fällt sich aber auch leichter, das schauen wir mal.
00:25:33: Die Frage ist, gibt es etwas, wofür du deinen beiden Eltern dankbar bist?
00:25:40: Ich bin dankbar dafür, dass ich hier sein darf,
00:25:45: dass sie sich dafür entschieden haben, mich aufzunehmen
00:25:48: und dass sie sich so viel Mühe gegeben haben,
00:25:54: den richtigen Weg zu zeigen und viel Energie in die richtige Erziehung reingesteckt haben.
00:26:02: Es hat doch durch mal viel Geld gekostet, weil ich was kaputt gemacht habe
00:26:12: oder ich gerne was Bestimmtes erhaben möchte, was ziemlich teuer ist,
00:26:17: wie zum Beispiel jetzt mein Mountainbike, was ich letztes Jahr gekriegt habe.
00:26:22: Und ich habe mir das halt unbedingt gewünscht und dann habe ich das auch gekriegt.
00:26:27: Und ich finde halt toll, dass ich mal endlich mal Rede bedarf oder so habe,
00:26:35: dass ich einfach zu denen hingehen kann, dass die mir zuhören.
00:26:39: Was bedeutet Familie für dich heute?
00:26:43: Das ist schwierig zu sagen.
00:26:46: Was kurz nachdenken?
00:26:47: Ja, ich denke mal kurz nach, ich drehe eine Schluppe.
00:26:50: Familie bedeutet für mich, dass man einander vertrauen kann,
00:26:56: dass man immer eine Person hat, die dir zuhört, wenn sie nicht gut geht
00:27:00: und auch wenn sie nicht gut geht, dass sie sich dann aufmunt hat
00:27:06: oder dass man Hilfe bekommt, wenn man Hilfe braucht.
00:27:11: Gibt es so in deiner Erinnerung so einen Moment,
00:27:17: der dir besonders viel bedeutet, dass du diesen Moment nie vergessen wirst?
00:27:25: Wir waren letztes Jahr auf Mallorca und da waren wir im Meer schwimmen
00:27:32: und dann habe ich zu Papa gesagt, ich hätte nie gesagt,
00:27:36: dass ich mal an so einem schönen Ort mit euch schwimmen gehen darf.
00:27:41: Und das finde ich, also das hätte ich nie vergessen,
00:27:47: weil ich weiß genau, wenn ich nicht in so eine Pflegefamilie kommen wäre
00:27:53: oder wenn ich nicht in diese Pflegefamilie gekommen wäre,
00:27:56: dann wäre das nie passiert und da habe ich auch mich gefühlt,
00:28:01: als wenn das halt meine Familie ist.
00:28:04: Die letzte Frage, die ich hätte,
00:28:07: wenn du einem anderen Kind erzählen würdest, wie es ist,
00:28:11: in so einer Pflegefamilie zu leben, das hat mir eben schon so ein bisschen,
00:28:15: aber wie das ist, in so einer Pflegefamilie zu leben,
00:28:18: nicht was das nicht, was eine Pflegefamilie ist,
00:28:20: sondern wie es in so einer Pflegefamilie ist zu sein.
00:28:23: Was würdest du ihm sagen oder ihr sagen?
00:28:26: Also ich würde wahrscheinlich erzählen, wie es in meiner Pflegefamilie ist,
00:28:32: wie ich mich da fühle und wie ich mich da eingelieht habe und so.
00:28:39: Und ich würde wahrscheinlich erzählen,
00:28:41: dass es mir ziemlich gut geht in der Pflegefamilie,
00:28:44: dass sich meine Pflegeeltern auch um mich kümmern
00:28:49: und dass ich nicht alles egal ist, was ich mache
00:28:52: und dass wenn ich was falsch mache, dass mir das gesagt wird,
00:28:57: dass ich auch, wenn etwas gar nicht geht, auch Ärger dafür kreiole,
00:29:01: vielleicht auch eine Strafe und dass ich es ziemlich gut finde,
00:29:07: dass ich in dieser Pflegefamilie wohn darf,
00:29:11: weil ich von zu nicht wüsste, wie ich jetzt wäre.
00:29:17: Danke dir. Es hat Spaß gemacht.
00:29:23: Nach Justins Eindrücken hören wir nun Angie und Jörg, seine Pflegeeltern.
00:29:29: Sie erzählen, wie sie Justin kennengelernt haben,
00:29:32: was für sie beim Ankommen wichtig war
00:29:34: und warum es sich lohnt, auch älteren Kindern ein Zuhause zu geben.
00:29:38: Angie, Jörg, wie geht es euch gerade mit dem Gehörten?
00:29:45: Ich fand es im Rückblick sehr interessant,
00:29:47: an was für Kleinigkeiten ihr sich erinnern kann.
00:29:50: Und ja, wir haben großen Ganzen so darüber denkt.
00:29:53: Es war schon ganz interessant, so zuzuhören.
00:29:56: Ja, ich fand es auch überraschend,
00:29:58: über welche Sachen er redet, auch mit dem Blödsinn machen.
00:30:03: Man muss dazu sagen, wir haben ihn damals vorgestellt bekommen,
00:30:06: als wir die Eltern kennen, das erscheint auch Michel aus Lönneberger.
00:30:10: Und so hat er sich auch erst mal gegeben.
00:30:13: Also der auf jeden Fall erst mal jede Sache nimmt,
00:30:17: wo denkt, was kann ich denn hiermit interessantes machen?
00:30:20: Die Birne, die man dann werft und dann das Fenster trifft.
00:30:24: Ja, genau, er ist immer noch, und er war immer schon ein Kind,
00:30:27: der, also er fragt nicht großartig, er machte einfach
00:30:31: und lebt dann mit den Sachen, die folgen.
00:30:34: Okay, gehen wir aber erst mal so einen Schritt zurück bei euch,
00:30:41: in die Vergangenheit.
00:30:44: Und da gab es irgendwann den Schritt zu sagen,
00:30:49: wir möchten gerne Pflegefamilie werden, wie war das damals?
00:30:54: Das war, da waren wir auch beide nicht mehr so ganz jung,
00:30:57: wir wollten erst keine Kinder haben,
00:30:59: wir haben beide einen Job gehabt, den wir sehr mögen
00:31:02: und haben viel Urlaub gemacht, und das fanden wir auch beide ganz prima so.
00:31:05: Und so mit Mitte 30 fängt er bei jeder Frau so die Ohren zu ticken,
00:31:09: man muss sich überlegen, okay, möchte ich das machen?
00:31:11: ist zu Kinder oder nicht und dann hat es nicht so funktioniert wie sollte und dann hat man halt
00:31:16: überlegt, okay, was haben wir für Möglichkeiten und sind dann irgendwann bei Pflegekindern
00:31:19: gelandet, war wir das für uns ein ganz passendes System fanden. Und das gesagt, die biologische
00:31:29: Uhr tickt und hat es nicht geklappt, also da würde man ja vielleicht erst auf die Idee kommen zu
00:31:34: sagen, wir würden gerne ein Baby oder ein Kleinkind haben. Das war bei euch aber nicht der Fall,
00:31:43: war das bewusst und direkt oder wie ist das entstanden, die Idee, ältere Kinder aufzunehmen?
00:31:49: Ja, ich glaube, das war schon relativ bewusst und auch für uns beide eigentlich schnell klar,
00:31:55: weil wir waren ja, ich war schon echt 35 oder 37, Jörg ist zwei, drei Jahre älter noch und ich habe
00:32:03: bei mir selbst meinen jüngsten Bruder bekommen, da war ich 15. Also ich hatte das mit Baby und einem,
00:32:10: was dazu gehört, als große Schwester und ich hatte Aufpasskinder als Jugendliche und für mich
00:32:16: persönlich, ich brauchte das einfach nicht. Dazu kam mit Mitte 30, habe ich gedacht, okay,
00:32:22: was Älteres passt auch vielleicht besser zu uns. Und ich fand das auch im Rückblick sehr schön,
00:32:29: dass man einfach Kinder hat, die einem sagen können, was sie brauchen und denen ich sagen kann,
00:32:34: was ich vielleicht brauche, die das schon verstehen. Und ja, Baby war für mich eigentlich überhaupt
00:32:40: kein Thema. Ja, wie war es bei dir? Ja, das war ich glaube ich genauso. Erstens, weil ein älteres
00:32:48: Kind seine Bedürfnisse auch sagen kann, also auch verbal äußern kann und das andere ist halt auch,
00:32:57: ich bin auch mit drei Brüdern groß geworden. Ich hatte jetzt auch nicht unbedingt den Wunsch
00:33:01: jetzt wirklich mit einem Baby, mit Wickeln und allen um und dran. Und auch die Lebensumstellung war ja
00:33:08: für uns etwas einfacher. Wenn ich ein Baby hätte, da muss ich aufgenommen, ich habe 24 Stunden für
00:33:14: das Kind da sein. Und damals, Gina, wie die mit acht zu uns gekommen ist, die war schon im Schulalter
00:33:21: und dann war die Umstellung auch für uns nicht ganz so groß. Das heißt auch unsere Freizeit über
00:33:27: Tag, weil ich im Schichthinsgearbeit habe, war einfach noch ein bisschen gegeben und weil das
00:33:34: Kind in der Schule war, es war natürlich irgendwo, wenn das Kind dann aus der Schule da war und auf
00:33:39: einmal ja alles sich ändert. Man musste sonst so für sein Partner da sein, jetzt war man auch für
00:33:45: das Kind zuständig und auch da und auch die Urlauber haben sich natürlich verändert mit Ferien
00:33:51: Zeit, mit allem um und dran. Aber ich finde, es war für uns die richtige Entscheidung. Gina, die
00:33:59: hatten wir auch, hatte ich ja auch schon mal ein Podcastinterview, also ihre Geschichte haben wir
00:34:03: schon gut besprochen, so und das finde ich immer noch ein sehr berührendes Interview. Wie war das
00:34:12: denn aus eurer Sicht dieses Kennenlernen mit Gina, die dann acht Jahre war? Das war ja so die erste
00:34:20: Pflegetochter. Das war ja bestimmt schon eine ganz besondere Zeit dieses Erste Kennenlernen,
00:34:26: das erste Mal sehen. Wie war das aus eurer Sicht? Ja, es war viel Neues, glaube ich, auf beiden
00:34:33: Seiten. Also Gina hat zu der Zeit ein Kind heimgelebt, wir sind also mal zum Kind heimgefahren und sind
00:34:39: dort offener in den Spielplatz gegangen, haben uns ein bisschen beschnuppert gegenseitig und Gina
00:34:44: war ja mit acht Jahren, war ja auch ein sehr extrovertiertes und auch lautes Kind und hat
00:34:50: auch so auch sehr deutlich gezeigt und gesagt, was sie braucht und was sie möchte und wir konnten
00:34:55: damit super umgehen. Also ich kann gut damit umgehen, wenn man ein Kind sagen kann, was es möchte.
00:35:00: Und wir haben uns lange aneinander ran getastet, glaube ich, also die Anbahnung mit Gina hat Monate
00:35:08: gedauert, vielleicht aufgrund der Tatsache, dass sie wirklich da schon vier Jahre im Kinderheim war
00:35:15: und jetzt wieder eine Veränderung kam, die sehr drastisch ist und sie war sich dessen ja auch
00:35:19: bewusst. Also sie wusste ja genau, das sind die Leute, wo ich vielleicht dann für den Rest
00:35:24: meines Kinder da war ins Lebe und da guck man natürlich sehr genau hin, wenn man den Verstand
00:35:31: schon hat, ob das auch wirklich die richtigen sind. Ja, okay, war das aus deiner Sicht diese
00:35:37: Monate, acht Monate Anbahnung. Ja, es war anstrengend, weil wir ja auch, ich glaube, ich habe es mal
00:35:46: ausgerechnet, wir sind nur allein in der Anbahnung 3600 Kilometer gefahren, weil das Kinderheim
00:35:52: halt im Münster ist und der Anfahrt wie war natürlich immer sehr schön, gerade wenn man dann
00:35:58: in die Innenstadt vom Münster musste und Gina hat lange gebraucht, um hier wirklich die erste
00:36:05: Übernachtung durchzuziehen, weil sie einfach auch immer Angst hatte, dass mal was schief gehen
00:36:10: könnte oder dass wir uns dann umentscheiden. Und da waren wir dann sehr bewusst und Gina hat aber
00:36:17: auch gezeigt, was sie braucht, dass sie dann abends noch diese Umarmung, aber ich muss doch wieder
00:36:23: zurück ins Kinderheim, ich muss da in Ruhe schlafen können und das ging halt über Monate. Ich glaube,
00:36:29: dass es natürlich mit dem Baby schneller geht, aber halt durch die lange Anbahnung waren wir uns
00:36:36: auch alle sicher, sowohl Gina denke ich als auch mir, dass es das richtige Kind ist und sie wahrscheinlich
00:36:42: auch das das die richtigen Eltern sind und dadurch alle Bedürfnisse abgeklappert worden sind. Was hat
00:36:49: euch geholfen, diese Zeit so auch durchzustehen? Das ist ja schon viel Fahnen, aber wahrscheinlich
00:36:57: auch eine emotionalen Achterbahnfahrt, wahrscheinlich. Das ist eine schwierige Frage. Ich empfinde das
00:37:03: im Nachhinein gar nicht so anstrengend. Die Fahrerei war lästig, aber nicht anstrengend,
00:37:10: weil man hat ja immer dann eine schöne Stunde miteinander verbracht oder auch zwei und es
00:37:15: hat sich ja immer so ein bisschen mehr verschoben. Also erst war es im Kinderheim und nach einer
00:37:20: Zeit hat sich das dann verlagert nach hierhin und wir haben zusammen das Zimmer eingerichtet. Wir
00:37:25: haben die Einrichtung ausgesucht, wir haben, ich weiß gar nicht, ob wir zusammen gestrichene haben
00:37:30: sogar, also wirklich das Stück für Stück zusammen gemacht und das war, also im Nachhinein würde
00:37:37: ich sagen gar nicht anstrengend. Das war lästig vielleicht ein bisschen, die Fahrerei, aber das
00:37:44: Treffen an sich fand ich eigentlich immer, habe ich jetzt nicht negativer Nähnungen, sondern eher
00:37:48: positiv. Also es hört sich an wie ein langsamer, aber so ein sehr kontinuierlicher Prozess. Genau,
00:37:54: und auch dass man einfach, dass beide Seiten die Sicherheit haben, ja das passt so, ne? Deswegen
00:37:59: finde ich im Nachhinein, finde ich lange Anbahnungen nicht schlimm. Also wir hatten bei allen drei
00:38:04: Kindern eine relativ lange Anbahnung, Justin war glaube ich der, mit der kürzesten Anbahnungszeit,
00:38:09: aber im Nachhinein denke ich, ist eine gut investierte Zeit, weil es vielleicht den Start
00:38:15: dann, wenn das Kind dann wirklich einzieht, leichter macht, weil man sich einfach schon gut kennt.
00:38:19: Ja, jetzt hatte ich eben schon Justin gefragt mit diesen Einweihungsfeiern oder Willkommensfeiern,
00:38:28: die ihr gemacht habt. Was habt ihr so alles getan, damit das Kind, wenn es eingezogen ist,
00:38:33: sich auch ja hier auf Willkommen fühlt? Das war gar nicht so viel, ne? Wir haben hier aufgehängt und
00:38:39: herzlich Willkommen, haben ein bisschen schön den Tisch gedeckt und es gab dann ein Einzugsgeschenk,
00:38:46: das war es im Prinzip auch schon, die haben das, glaube ich, als viel mehr Erinnerung,
00:38:52: wie es dann letztendlich war. Also es war ein bisschen geschmückt, es hing ein herzlich Willkommen,
00:38:57: es waren ein paar Luftballons da und ein kleines Geschenk. Mehr war es eigentlich gar nicht.
00:39:02: Ja, und denke ich mal trotzdem ein wichtiges Zeichen für die Kinder, allein der Wertschätzung,
00:39:08: denke ich mal. Genau, wir feiern auch tatsächlich jedes Jahr den Einzugstag mit einem kleinen Geschenk,
00:39:15: ich mache immer für jedes Kind ein Foto-Buch vom vergangenen Jahr, weil die meisten Kinder
00:39:20: haben nichts an Fotos von vorher. Also ganz wirklich Kleinkindfotos oder Babyfotos gibt es
00:39:27: oft einfach nicht und deswegen finde ich persönlich das wichtig, das einfach zu dokumentieren und
00:39:32: die Kinder freuen sich jedes Jahr unheimlich auf dieses Foto-Buch und dann gibt es auch irgendwie
00:39:37: eine Kleinigkeit dabei und wir frühstücken schön oder so, das war es, also es ist nicht so eine
00:39:41: Riesennummer, aber die legen da sehr viel Wert drauf tatsächlich. Jetzt habt ihr drei Pflegekinder
00:39:49: und bei Jidowska gesagt, bei jedem schon eine relativ lange Anbahnung und gab es denn so in der
00:39:57: Zeit des Einlebens? Gab es da so Schlüsselmomente? Also das würde ich sagen, war zum Beispiel bei
00:40:04: Michaela ganz extrem, Michaela ist mit ja, ist mit fünf zu uns gekommen, Michaela war zu dem
00:40:12: Zeitpunkt ja auch ein sehr lautes Kind und das konnte auch schlecht alleine bleiben und das ist
00:40:22: wirklich so, dass die also mit auf Toilette gegangen ist und alles und wir haben bei Michaela
00:40:28: fast ein Jahr lang gebraucht, bis dann dieser Moment kam und den muss man sagen, dank unserem
00:40:35: Beraten ist es damals passiert, man hat sich darum gekümmert, die leibliche Mutter dazu zu
00:40:41: bewegen, ein Brief zu schreiben, wo sie die schriftliche Erlaubnis bekommen hat, auch bei
00:40:47: uns zu wohnen und nachdem Michaela diesen Brief bekommen hat, war das ein ausgewechseltes Kind,
00:40:56: das konnte sich auf einmal fallen lassen, das konnte sagen, ja jetzt, das sind meine Eltern
00:41:01: und das werden meine Eltern für immer bleiben und das war wirklich bei Michaela extrem. Ja,
00:41:09: solche Zeiten von hier darfst du sicher sein und du musst nicht zwischen den Stühlen stehen,
00:41:15: du kannst ganz hier sein, wäre zu meiner erste Interpretation daraus, die so ein Kind daraus
00:41:20: irgendwie ziehen kann. Ja, hast du noch ein Beispiel? Also ich habe überlegt die ganze Zeit,
00:41:26: aber ich habe zwar viele kleine Momente, die mir so einfallen, aber nichts, was ich jetzt so
00:41:30: als Schlüsselerlebnis bezeichnen würde. Dann erzähl uns doch mal einen kleinen Moment. Ja,
00:41:34: das kleine Moment, also wenn die Kinder wirklich zum ersten Mal kommen und dich richtig umarmen
00:41:39: oder, jetzt muss jeder nachdenken, das ist so, ich will gar nicht sagen, wenn die ersten Mal
00:41:47: Mama und Papa sagen, weil das ist eigentlich gar nicht so wichtig, aber wenn die wirklich zum
00:41:52: erst mal so bewusst ran kommen und sich ran kuscheln oder auf den Schoß rutschen, so solche
00:41:57: Sachen eher, dass die einfach körperliche Nähe suchen, das ist glaube ich immer so ein Schlüsselmoment.
00:42:01: Würde ich jetzt sagen. Das glaube ich, das glaube ich gern. Ja, das ist mit Mama und Papa war
00:42:08: nicht so wichtig, ihr hattet ja tatsächlich dann, dann hat sie eben erzählt, Gina, die euch beim
00:42:13: Vornamen genannt hat, Michaela, die euch Mama und Papa genannt hat, auch wenn man natürlich denkt,
00:42:19: das ist mir jetzt nicht so wichtig, irgendwie interessant ist das ja irgendwie schon. Hat
00:42:25: man da die ganze Zeit irgendwie diesen rationalen Aspekt, ja, Gina nennt euch beim Vornamen, weil
00:42:30: die hatten eine andere Geschichte als Michaela oder war das Thema dann bei euch mal oder war das
00:42:36: eigentlich, man hat das genommen, wie es, wie es kam? Also wir haben es den Kindern immer ganz
00:42:42: bewusst gesagt, es ist für uns nicht wichtig, ob ihr Angel und Jörg sagt oder ob ihr Mama und
00:42:47: Papa sagt, es entscheidet ihr für euch und Gina hat es mal versucht tatsächlich mit Mama und
00:42:52: hat gemerkt, das passt nicht, weil Gina ist aber auch immer die leibliche Mutter relativ präsent
00:42:59: gewesen und hat gut mitgearbeitet mit uns. Also ich habe das nicht als negativ in Erinnerung,
00:43:05: sondern eher als positiv und Michaela war ja auch noch deutlich jünger, Michaela war fünf
00:43:12: und Michaela hat, ich glaube, fast von Anfang an Mama und Papa gesagt, ich glaube, aus dem Bedürfnis
00:43:19: heraus Mama und Papa haben zu wollen und Gina war einfach im Verstand ein bisschen weiter und
00:43:26: hat das für sich anders entschieden und Justin hatte dann auch die Möglichkeit, er hat gesehen,
00:43:31: aha, die eine sagt Angel und Jörg und die andere sagt Mama und Papa und er war sieben als er
00:43:36: kam und hat auch relativ schnell umgeschwenkt auf Mama und Papa, aber ich könnte jetzt gar nicht
00:43:42: sagen, dass ewig ein bestimmter Tag war, das war einfach irgendwann so. Aber ich möchte auch noch
00:43:47: mal sagen, dass das nichts mit Bindung zu tun hat, ob ein Kind Mama und Papa sagt oder nicht,
00:43:52: sondern die haben ja nun mal alles doppelt, die haben praktisch zwei Familien und die
00:43:58: müssen das für sich irgendwie entscheiden und wichtig ist, dass sie sich wohl damit fühlen.
00:44:02: Genau, also Bindung näher ist nicht davon ab, dass Mama und Papa sagt.
00:44:08: Auf gar keinen Fall würde ich nicht sagen, also Gina ist uns genauso dicht an uns dran wie die
00:44:14: beiden anderen. Ja, Justin hat eben seine Geschichte erzählt, wie er zu euch gekommen ist. Da habt
00:44:21: er jetzt gerade schon erzählt, das ist ein interessantes Detail, dass er irgendwie noch im
00:44:27: Kopf hatte. Wie war das in eurer Situation? Er hat ein drittes Kind, weil wollte ein drittes
00:44:32: Kind aufnehmen und ja, wie verlief das diese Situation des Kennenlerns und mit ihm? Ja,
00:44:41: also das war ja damals, wo wir das gemacht haben, eigentlich auch ein Wunsch, man muss sagen, der
00:44:47: beiden Mädchen, die gesagt haben, wir könnten uns vorstellen auch noch, je ein anderes Kind mit
00:44:54: in die Familie aufzunehmen, weil damit es das genauso gut hat wie die beiden, so haben sie es
00:44:59: ausgedrückt. Und wie wir dann halt mit unserem Vater übergesprochen haben, dann hieß es, ja,
00:45:05: besser würde man junge vielleicht reinpassen, waren wir erst nicht so von überzeugt. Dann hat man
00:45:11: uns aber halt den Justin mal vorgestellt und wir waren begeistert. Und wie wir dann wirklich
00:45:16: auf dem Campingplatz waren, vergesse ich nie, habe ich gedacht, je nachdem, wie bricht unser Bett
00:45:20: zusammen, weil alle Kinder mit uns zusammen, plus Hund in diesem Bett lagen und es fühlte sich einfach
00:45:29: richtig an und das hat, glaube ich, auch Justin gemerkt und das war, wo der Punkt kam, ich fahre
00:45:35: mit euch mit und ich gehe nicht mehr zurück zur Bereitschaftslinie hören. Ja, und das war
00:45:41: eine Anwahnung der besonderen Art. Ja, es bot sich einfach an, es war Ferienzeit und die hatten sich
00:45:50: einmal gesehen und um zu gucken, ob das wirklich passt, haben wir gesagt, wir fahren einfach auf
00:45:54: den gleichen Campingplatz, mieten uns da so ein Hütchen und Justin war eigentlich vom ersten
00:45:59: Tag an tagsüber immer da, der war immer bei uns und dann haben wir ihn, glaube ich, ein oder zwei
00:46:05: Abende zurückgebracht abends unter Protest. Er wollte eigentlich nicht und er sagt, das können
00:46:10: wir jetzt nicht machen. Wir haben auch überhaupt kein Bett für dich hier und am dritten Tag haben
00:46:16: wir dann kapituliert und dann haben, glaube ich, die Mädchen alle zusammen, haben sich wie eine
00:46:19: Bettenbrüche auf dem Boden gebaut und ab da war er da und dann wollte er auch nicht mehr weg.
00:46:23: Also steht sich daraus, die Mädels fanden ihn auch direkt toll? Ja, ich glaube, er hatte nicht
00:46:29: großen Chancen sich zu wehren. Ja, die fanden den toll, das hat, wir hatten ja zum Schluss zu
00:46:37: unserem Berater gesagt, guck mal nach dem Kind, was einfach hier dazu passt und egal ob jung oder
00:46:42: Mädchen, Justin passte einfach. Das fühlte sich von Anfang an ziemlich richtig an, auch wenn das
00:46:49: so ein kleiner Lausebengel war, aber ja, also nach dieser Campingwohe haben wir tatsächlich auch
00:46:56: gesagt, also den hätten wir unheimlich gerne in der Familie und ich glaube bei ihm war das
00:47:02: genauso. Und dann, genau, es hat dann ja irgendwann eingezogen, was ist dann euch noch so aus dieser
00:47:09: ersten Zeit, den ersten Monaten, zur Erinnerung? Also mir ist in Erinnerung, dass Justin sehr
00:47:17: schnell alles ausgetestet hat. Also für ihn war das völlig ungewohnt, dass jemand aufpasst. Also
00:47:23: wir haben ihn zum Beispiel gesagt, du darfst hier mit dem Fahrrad vom Hof fahren, wir wohnen lättlich,
00:47:29: aber sagt Bescheid. Damit wir wissen, fährst du links, fährst du rechts und dann ist er irgendwann,
00:47:35: kam so ein großer Trecker vorbei und er war ein siebenjähriger Junge und zack weg war er und
00:47:40: Jörg hat das gesehen, hat sich aus Fahrradgeschwunges hinterhergefahren, hast auch ziemlich lange
00:47:45: Gebrauch, bis ihn eingeholt hast, er war schnell und er war dann völlig perplex, dass auf mal
00:47:49: dann der Vater hinter ihm steht und sagt, mein Freund, du kommst jetzt wieder mit nach Hause,
00:47:54: du hast nicht Bescheid gesagt. Also das war neu einfach, dass jemand aufpasst und ihm auch sagt,
00:48:01: was er darf und was er nicht darf. Das war für ihn ziemlich ungewohnt und das war am Anfang fast
00:48:07: täglich, würde ich sagen. Er hat wirklich nicht viel ausgelassen, aber er hat dann sehr schnell
00:48:12: verstanden, hier kann ich nicht tun lassen, was ich möchte, ich muss fragen und letztendlich es
00:48:19: war nie richtig schlimm, würde ich sagen, es war einfach, einfach gucken, was geht so. Was er erzählt
00:48:26: hat mit dieser Sprühflasche an der Scheune, bin ja im Nachhinein ganz froh, dass es ein Herzchen war
00:48:31: und nichts anderes, das Herzchen sieht man immer noch. Es ist ja auch irgendwie total, dass es ein
00:48:36: Herzchen geworden ist. Er war ja ganz süß, genau. Aber er hat immer gemacht, er hat nie gefragt,
00:48:41: er hat gemacht und er hat dann aber relativ schnell gelernt, ich muss fragen. Ich darf viel, aber ich
00:48:47: sollte besser fragen. Ja, kannst du noch Erinnerungen an die erste Zeit? Ja, er hat wirklich alle Regeln
00:49:00: gesucht, manchmal auch gefunden und es war wirklich dann aber überraschend, wenn man ihn dann auch
00:49:08: mal in die Schranken gewiesen hat oder gesagt, so geht das nicht, dass er dann trotzdem kam und
00:49:13: sagte und hat einen umarmt. So ungefähr jetzt merke ich auch, dass ihr euch um mich kümmert, dass
00:49:19: ihr da seid und euch auch Sorgen macht. Wenn man erklärt haben, wenn du abends um 18 Uhr zum
00:49:26: Beispiel nicht bündig mit deinem Freund wieder zu Hause bist, dann fahre ich los und suche dich
00:49:31: oder ich gucke, wo du bist, dass er gemerkt hat, da macht sich tatsächlich jemand Sorgen darum,
00:49:39: wo ich bin und was ich mache. Und ich glaube, das war für ihn ganz wichtig. Das hat er vorher
00:49:44: noch nie so erlebt. Das kann ich mir gut vorstellen, dass das ein ganz wichtiger Punkt ist, dieses
00:49:50: ich bin da, bleibe bei dir und im Notfall suche ich dich, weil du mir wichtig bist. Ich glaube,
00:49:57: dieses Fall, du mir wichtig bist, hat er da vielleicht zum ersten Mal wirklich gemeldet, was
00:50:02: das denn eigentlich heißt. Ja, das ist ja so ein Teil von Bindung aufbauen. So dieses
00:50:11: mit einem Reden und sagen, wenn du um 18 Uhr nicht da bist, ich fahre dann los und ich suche dich,
00:50:18: weil du mir wichtig bist. Was hat euch noch geholfen, bei Justin diese Bindung nach und nach
00:50:26: aufzubauen? Ich weiß gar nicht, ob man da Hilfe braucht. Das ergibt sich einfach. Also
00:50:33: ich kann dir das nicht beantworten. Das ergibt sich einfach von selber, glaube ich. So ein Kind
00:50:39: kommt relativ schnell, relativ dicht an einen an. Und für mich war das auch bei jedem Kind
00:50:45: relativ schnell mein Kind. So, ich habe auch immer gesprochen von meiner Tochter oder von meinem Sohn.
00:50:50: Ich habe bezeichnet, das ist eigentlich nie als mein Pflegesohn, sondern das ist mein Sohn.
00:50:54: Ja, und das ergibt sich einfach. Die kommen schnell, kommen die eigentlich an. Wenn sie mal
00:51:01: da sind, kommen sie schnell an und wollen auch Bindung haben. Und das ist dann ganz schnell einfach so.
00:51:08: Welche Rolle spielen Rituale dabei? Eine große, glaube ich. Also Rituale und auch Struktur sind für
00:51:16: Kinder ganz wichtig. Die kommen ja oft aus irgendwelchen chaotischen Verhältnissen,
00:51:22: Haushalten, wo man wirklich, wie er von der Zeltart tun und lassen kann, was man möchte.
00:51:30: Man fängt nachher mal mit grundlegenden Sachen an, wie Tagnachtrhythmus oder Essen zu bestimmten
00:51:35: Zeiten. Und das war bei uns, glaube ich, die Kinder von das Toll, dass die genau wussten,
00:51:41: dann und dann ist Frühstück, dann ist Mittag, dann gibt es Abendessen, nach dem Abendessen,
00:51:46: Zähne putzen, dann ein bisschen Fernsehe gucken, dann Buchlesen, dann ins Bett. Also dieses regelmäßige
00:51:52: sich wiederholende, glaube ich, Hilfzeuchenkindern auch unheimliche Sicherheit zu kriegen.
00:51:57: Das hat man bei ihm ja auch irgendwie mehr als er über Weihnachten gesprochen hat. So,
00:52:01: na, dass wir dann klar ist, dass wir, und wir hatten ja auch schon mal drüber gesprochen,
00:52:05: in der Weihnachtsfolge, wo ich euch interviewt habe, wo dann er das so ganz schön noch beschrieben
00:52:12: hat, wie das war, das erste Weihnachtsfest mit, es gibt Erstessen, danach gibt es die
00:52:19: Geschenke und er musste sich das genau erst mal gucken, wie ist denn das überhaupt und so.
00:52:26: Genau das Gleiche, als er, wie er gerade erzählt hat mit diesem, mit dem Gedicht,
00:52:31: mit dem gute Abendgedicht. Das ist ja auch, also hat er das, wisst ihr noch, hat er sich das
00:52:36: ausgedacht, dieses gute Abendgedicht als Rhetoral, wie ist das entstanden?
00:52:42: Ich weiß gar nicht, das hat er einfach von Anfang an gesagt. Ja, ob er das von
00:52:47: irgendwo übernommen hat oder ob das von ihm kann, das weiß ich nicht, oder das hat er
00:52:50: wirklich gemacht bis vor, es hat 16, ich würde sagen bis 14, 14,5, mindestens, kam das jeden
00:52:57: Abend und dann wurde es etwas wie, dann wurde Einsatz weniger und dann irgendwann kam die
00:53:03: Umarmung nicht mehr so jeden Abend, die kriegt jetzt die Freundin und nicht mehr ich,
00:53:07: aber das war für ihn, glaube ich, auch tatsächlich ganz lange, ganz wichtig.
00:53:15: Wie fühlt sie das so an, wenn der jetzt größer wird und das Gedicht ist irgendwann noch
00:53:21: ganz kurz und jetzt irgendwie gar nicht mehr? Das, glaube ich, ist völlig normal, da gehe ich,
00:53:27: also das tut mir nicht weh oder so, das sehe ich ganz locker, das hat uns lange begleitet
00:53:33: und jetzt demnächst kommt was Neues, also das ist schön, so lange wie es da war und jetzt ist es halt
00:53:39: anders. Ja, jetzt ist der Junge her, geht aufs Erwachsenenal dazu. Wie erlebt ihr das denn heute
00:53:48: so als Teil der Familie? Ja, der gehört einfach dazu, das ist unser Sohn und wir sagen ja jetzt
00:53:57: schon immer aus Scherz, wir hatten ja eigentlich drei Pflegekinder und jetzt ist die älteste ja
00:54:03: vor zwei Jahren ausgezogen, ist aber auch doch oft zu Hause, sie hatten einen festen Freund,
00:54:10: jetzt hat er eine feste Freundin, also wird das teilweise hier schon wieder wieder voller anstatt
00:54:16: Lehrer und auch die beiden Jüngeren warten schon sehnsüchtig auf die Adoptionen und wir werden
00:54:23: das auch durchziehen. Ja, wachsen an Adoptionen, aber wir haben immer gesagt, sie sollen mindestens 18
00:54:30: sein um diese Entschleidung dann auch wirklich durchzuziehen können und von daher, das ist unser
00:54:37: Sohn und erledigt, das ist nicht Pflege oder sonst was, sondern der gehört dazu. Jetzt haben wir
00:54:45: eben schon über Fotos gesprochen, als ich mit Justin gesprochen habe und hier sehe ich auch
00:54:50: einige Fotos, also das heißt ihr, ihr nehmt gerne Fotos auf, du hast erzählt jedes Jahr gibt es
00:54:55: ein Fotoalbum, also werdet ihr viele Fotos haben, wenn ihr jetzt überlegt, wir machen jetzt nicht
00:55:00: ein Fotoalbum für ein, für eines eurer Kinder von den letzten Jahren, sondern mal machen jetzt ein
00:55:06: ganz neues Fotoalbum und zwar mit einem riesen Fotoalbum, mit allen Fotos, die wir jemals aufgenommen
00:55:12: haben. Gibt es ein Foto, wo ihr denkt, das wäre das Titelbild für dieses Buch? Dann würde ich
00:55:21: wahrscheinlich irgendein Weihnachtsfoto neben auf dem alle drauf sind oder ein Urlaubsbild, weil
00:55:27: da sind wir glaube ich immer alle sehr entspannt, es ist immer ein schöner Tag, also egal ob es
00:55:32: jetzt ein Urlaubstag ist oder an Weihnachten, aber ich glaube, ich hätte so ein Sohn-Weihnachtsbild.
00:55:36: Ja, bei mir wäre es glaube ich, dass eine Foto aus dem Urlaub, wo wir in Ägypten waren und da
00:55:44: waren die Kinder noch ein bisschen jünger und zum Beispiel Justin durfte da zum ersten Mal Quad
00:55:49: fahren und da haben wir ein ganz tolles Bild, wie wir in der Wüste sind, alle mit Schalz und
00:55:55: wegen dem Sand und allem und alle Kinder sind am Strahlen und das ist so ein Bild, was mir immer
00:56:03: in Erinnerung bleiben wird. Ja, mit einem aufregenden und aufregendes Erlebnis und alle dabei, alle
00:56:12: zusammen. Was bedeutet für euch denn persönlich zu dieses Pflegeelternsein gerade auch,
00:56:18: dass ihr ältere, fähige Kinder aufgenommen habt? Also ich weiß nicht, ob man jetzt Pflegeeltern,
00:56:26: also für mich gut, man offiziell ist man Pflegeeltern, aber für mich bin ich einfach Vater,
00:56:32: würde ich sagen und ob das Kind jetzt mit acht oder mit fünf oder mit zwei zu einem kommt,
00:56:40: ich glaube, das hat damit nichts zu tun, das muss einfach die Chemie stimmen und ich fand
00:56:45: das damals gut. Wir sind ja auch vorbereitet worden und wir wurden ja gefragt, in welcher
00:56:52: Altersklasse wir uns tendieren. Wir haben damals gesagt, weil wir schon etwas älter waren,
00:56:56: wir würden uns eher ein älteres Kind vorstellen und ich glaube auch, dass diese Kinder einfach
00:57:01: sozusagen eine Show bekommen sollen und ich habe das nie bereut, dass ich jetzt nicht ein Baby hatte
00:57:10: oder sowas. Im Gegenteil, ich muss sagen, ich habe jetzt bei allen Kindern meinen Spaß. Ich habe
00:57:15: sie einfach nur lieb und das reicht. Mehr braucht man da nicht zu sagen. Mehr braucht man dazu nicht
00:57:22: zu sagen, aber Angie, vielleicht willst du noch was dazu sagen? Also ich sehe mich auch selber
00:57:27: gar nicht als Pflegemutter, sondern einfach als Mutter. Wenn ich jetzt mal das aus ein bisschen
00:57:32: professioneller sehe, ich fand es für mich sehr schön, dass ich mein Job nicht komplett aufgeben
00:57:37: musste, sondern dass ich mit jedem Kind so ein bisschen reduzieren konnte praktisch und
00:57:43: dass es nicht so ein ganz starker Umbruch war. Also für so ein Baby muss man Vollzeit zu Hause sein,
00:57:51: denke ich. Und ich fand das sehr schön, dass das für mich auch so ein bisschen so häppchenweise
00:57:55: ging. Also beim ersten Kind habe ich ein bisschen Stunden reduziert, beim zweiten Kind habe ich
00:58:00: ein bisschen mehr Stunden reduziert. Das war nicht so ein kompletter Umschulung auf ein ganz
00:58:06: neues Leben, sondern es ging auch für mich so häppchenweise. Das fand ich sehr schön. Und das
00:58:11: geht auch, glaube ich, nur mit älteren Kindern. Die sind dann im Kindergarten oder die sind in der
00:58:14: Schule. Da hat man den Morgen noch Zeit, arbeiten zu gehen oder ein bisschen Zeit für sich,
00:58:19: je nachdem, was man möchte. Und das ist nicht so ein ganz krasser Schnitt. Wenn ich jetzt irgendwie
00:58:25: im Berufsleben stehe und nehme ein Baby, dann muss ich von heute auf morgen alles komplett ändern.
00:58:29: Und das fand ich für mich sehr schön, dass es nicht so ist. Ja, also was würdet ihr denn
00:58:37: Menschen, die jetzt überlegen, älteres Pflegekind, kann das was für mich sein? Was würdet ihr zu denen
00:58:46: direkt sagen? Also ich würde immer sagen, Versuch ist es auf jeden Fall wert. Also ich finde aus dem
00:58:54: sozialen Aspekt auch ältere Kinder sollten so eine Chance kriegen. Aus unserer Sicht, es hat bei allen
00:59:01: drei Kindern wunderbar funktioniert. Das sind, auch wenn sie schon älter waren, Gina war ja die
00:59:06: älteste mit acht. Das ist mein Kind. Jetzt ist sie adaptiert, die gehört dazu. Ich würde dem eine
00:59:15: Chance geben. Also ich würde mir wünschen, dass mehr Eltern, älteren Kindern auch eine Chance geben.
00:59:20: Viele haben ja Vorurteile, dass sie schon irgendwie so viele schlechte Erfahrungen gesammelt haben oder
00:59:26: dass man da erziehungstechnisch nichts mehr machen kann oder ich weiß gar nicht. Also viele
00:59:32: Vorurteile, glaube ich, ihr sind da so in der Duft und die meisten würde ich sagen, nein,
00:59:37: das stimmt nicht. Also unsere Kinder sind alle drei unsere Kinder und das waren sie relativ schnell
00:59:44: und ja, wir geben denen eine Chance. Das wissen die auch. Ich glaube, Kinder wissen das auch zu
00:59:51: schätzen, vielleicht nicht mit fünf, aber auf jeden Fall ein paar Jahre später, dass sie diese
00:59:58: Chance gekriegt haben. Und deswegen würde ich immer sagen, man sollte sich da nicht so gegen
01:00:04: sperren, sondern dem ruhig mal eine Chance geben, wenn ein Kind vorgeschlagen wird, was vielleicht
01:00:09: nicht drei ist, sondern sechs ist, dem einfach eine Chance zu geben. Ja, was würde ich so sagen? Ja,
01:00:18: ich würde dazu stimmen und ich finde, man kann das ja auch bei uns relativ deutlich sehen. Wenn ich
01:00:26: überlege, dass Gina mit acht zu uns gekommen ist, relativ schlecht war in der Schule, jetzt studiert
01:00:36: sie Lehramt. Bei Michaela, die ja nun mal auch noch eine leichte Behinderung hat, wo wir nie wussten,
01:00:45: wo geht der Weg hin? Die fängt jetzt ihre Ausbildung an. Bei Justin dasselbe, er geht jetzt
01:00:51: auch in die 10. Klasse und da habe ich auch keine Bedenken, dass er nicht eine Ausbildung erreichen
01:00:57: wird. Ob diese Kinder, wenn sie jetzt im Kinderheim groß geworden wären oder in einer Wohngruppe,
01:01:04: ob die die gleichen Chancen hätten, das würde ich einfach so in meinem Raum stellen. Ja, und dass
01:01:11: sie vor allem halt das Zuhause gefunden haben. Dann danke ich euch vielmals für dieses Interview.
01:01:18: Es hat sehr viel Spaß gemacht, um mal wieder bei euch zu sein. Mal gucken, wo ich das nächste
01:01:23: Mal bei euch bin und was es dann zu erzählen gibt. Vielen, vielen Dank. Das war unsere zweite
01:01:29: Folge zum Thema ältere Pflegekinder. Diesmal mit der doch ziemlich berührenden Perspektive von
01:01:35: Justin und dem Blick seiner Pflegeeltern Angie und Jörg. Die Folge zeigt, wie auch ältere Kinder
01:01:42: in einer liebevollen Pflegefamilie Sicherheit, Vertrauen und Zugehörigkeit finden können.
01:01:47: Wenn du dir vorstellen kannst, selbst einem älteren Kind ein Zuhause zu geben, freuen wir uns, wenn du
01:01:53: dich bei uns meldest. Alle Infos findest du auf unserer Website www.netzwerk-flegefamilien.de. Wie
01:02:01: immer vielen Dank fürs Zuhören. Bis zur nächsten Folge von Netzwerkpflegefamilien, der Podcast.
01:02:06: Netzwerkpflegefamilien, der Podcast.
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